Noch immer nicht gut: Die Medienjuristen Stephan Dreyer und Wolfgang Schulz kommentieren den im November 2023 überarbeiteten „Diskussionsentwurf der Rundfunkkommission der Länder für einen Sechsten Medienänderungsstaatsvertrag (6. MÄStV)“. Sie diskutieren offene rechtssystematische Fragen und machen Änderungsvorschläge.
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Zusammenfassung der Autoren
Der Entwurf für einen 6. MÄStV hält an den zentralen Neuerungen aus dem 2022 vorgestellten Entwurf fest. Damit bleiben auch die bereits 2022 diskutierten Fragen der rechtlichen Machbarkeit und der Praxistauglichkeit bestehen. Soweit es politischer Wille ist, die bisherigen Überlegungen in einen reformierten JMStV zu gießen, zeigen wir an mehreren Stellen Änderungsbedarfe im Detail auf, um die Kohärenz des Ansatzes regulierter Selbstregulierung und das dadurch entstandene praxistaugliche, aber instabile System aus Landesmedienanstalten mit KJM und Selbstkontrollen und Anbietern nicht in Unwucht zu bringen. Der Ansatz der regulierten Selbstregulierung im deutschen Jugendmedienschutz ist nicht in Stein gemeißelt, aber für die Abkehr von dem grundsätzlichen Regulierungskonzept gibt es keine offensichtlichen Gründe – die Voraussetzungen für die Schaffung von Steuerungsvorteilen durch Ko-Regulierung liegen immer noch – wenn nicht gar noch deutlicher – vor.
Eine bessere Verzahnung der ohnehin komplexen – und durch den DSA noch weiter verschränkten – Regelungsrahmen im Jugendmedienschutz kann der Entwurf zudem nicht liefern. Begriffsverständnis der Entwicklungsbeeinträchtigung und Bewertungseinbindung von Risiken für die persönliche Integrität bleiben verschieden, neue (elektronische und visuelle) Kennzeichnungspflichten sowie die Anzeigepflicht von Inhalts- und Funktionsdeskriptoren tragen zu einer ganzen Reihe von Labels bei, die für Eltern ggf. nicht mehr nur Orientierung schafft, sondern auch Überforderung und / oder das falsche Gefühl von Sicherheit.
Wie in der letzten Stellungnahme angesprochen bleibt beachtenswert, dass die Reform keine Stärkung von partizipativen Aspekten des Kinder- und Jugendmedienschutzes vorsieht, auch befähigende Ansätze finden sich im Entwurf nicht. Es geht weiterhin um Verbote und Beschränkungen, nicht um Möglichkeiten und Ermöglichung von kinderrechtlich zwingend zu gewährleistender Teilhabe; ausschließliche und zentrale Umsetzungsinstanz von Schutzmaßnahmen auf meist recht autonom und teils für höchstpersönliche Kommunikation genutzten Geräten sollen die Eltern und Erziehungsberechtigten bleiben. Das ist ein im Lichte der Kinderrechte einseitiger (und wie gezeigt voraussetzungsvoller) Ansatz, der der aktuellen Diskussion um Online-Minderjährigenschutz nur zu einem sehr geringen Teil gerecht wird.
(Hamburg, 15. Dezember 2023)