Ein möglicher AfD-Ministerpräsident an der Spitze Thüringens könnte im Alleingang den öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschalten. Wie dies verhindert werden könnte, erläutern Tobias Mast und Lennart Laude im Rahmen des „Thüringen-Projekts” des Verfassungsblogs. Eine Änderung der Landesverfassung sei sinnvoll.
Gelänge es der AfD, nach den Wahlen zum Thüringer Landtag im Herbst 2024 einen Ministerpräsidenten zu stellen, könnte dieser im Alleingang über die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks entscheiden. Das Medienrecht in Deutschland ist nicht durch Gesetze, sondern durch „Staatsverträge“ geregelt, also Abmachungen zwischen den Ländern. Dadurch hat die Exekutive eine stärkere Rolle, als das bei der normalen Gesetzgebung der Fall ist. Die Aufkündigung des Rundfunkstaatsvertrags obliegt nach Landesverfassungsrecht allein dem Ministerpräsidenten. Auch ein möglicher Koalitionspartner könnte ihn nicht aufhalten.
„Die Vorstellung, dass ein Ministerpräsident stolz seine Unterschrift unter die Kündigung der Staatsverträge in die Kameras derjenigen Medien hält, deren Tätigkeit er einschränken will, sollte Anlass dazu geben, die Rolle des Parlaments zu stärken“, schreiben Tobias Mast und Co-Autor Lennart Laude in ihren Artikel "Kündigung der Vielfalt – ohne Diskussion: ein Rundfunk nach polnischem Vorbild in Thüringen, Sachsen und Brandenburg?" auf dem
Verfassungsblog. „Jetzt ist die Zeit dafür, über Änderungen der maßgeblichen Landesverfassungen zu diskutieren.“
Das „Thüringen-Projekt”
Das
Thüringen-Projekt beleuchtet den (noch) hypothetischen Fall, in dem die AfD aus der Wahl zum Thüringer Landtag im Herbst 2024 als Siegerin hervorgeht und die Regierung stellt. An diesem Beispiel soll erforscht werden, welche Spielräume eine autoritär-populistische Partei auf Landesebene hätte, um ihre Macht zum Schaden der Demokratie einzusetzen. Das Projekt will nicht nur die Öffentlichkeit über Möglichkeiten und Wahrscheinlichkeiten aufklären, sondern auch bei Funktionsträger*innen vor Ort ein Problembewusstsein schaffen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Öffentlichkeit überrumpelt würde, und nicht oder zu spät zur Gegenwehr in der Lage wäre. Die Resilienz der demokratischen föderalen Verfassungsordnung soll insgesamt gestärkt werden.
Im Herbst 2024 wird auch in den Bundesländern Sachsen und Brandenburg ein neuer Landtag gewählt. Gerade in Thüringen aber wirft die Situation angesichts der fragilen Parteienlandschaft und der Vorgänge bei der letzten Regierungsbildung besonders dringende und bislang weitgehend unerforschte rechts- und politikwissenschaftliche Fragen auf.
Der Verfassungsblog ist ein gemeinnütziges und wissenschaftliches Open-Access-Forum zu aktuellen Entwicklungen in Verfassungsrecht und -politik in Deutschland und dem Ausland.
(Hamburg, 29. Januar 2024)