Unter dem Titel „Alles andere als „sweet little lies“ … – über Desinformation und die Möglichkeiten und Grenzen vorhandener Werkzeuge zu ihrer Bekämpfung“ fand am 5. Juli 2022 das 12. Hamburger Mediensymposium statt. Vor rund 100 Gästen diskutierten Expert*innen unter der Moderation von
Prof. Dr. Wolfgang Schulz (Direktor Leibniz-Institut für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut) über Desinformation als gesellschaftliches Problem und die Rolle verschiedener Akteure bei der Entwicklung von Konzepten und Lösungen.
Nach einführenden Impulsen zum Thema sprachen
Katharina Fegebank (Zweite Bürgermeisterin der Freien und Hansestadt Hamburg und Senatorin für Wissenschaft, Forschung, Gleichstellung und Bezirke),
Eva-Maria Sommer (Direktorin MA HSH), Prof. Dr. Wolfgang Schulz und
Dr. Gregor Wiedemann (Senior Researcher am HBI) mit Moderator
Prof. Dr. Christian Stöcker (Studiengangsleiter Digitale Kommunikation, HAW Hamburg) in einer Paneldiskussion über Desinformation und die damit einhergehenden Herausforderungen. Die unterschiedlichen Perspektiven aus Medienpolitik und -aufsicht, Medienpraxis und Wissenschaft auf das Thema erwiesen sich dabei als facettenreich und einander ergänzend. Auch persönliche Erfahrungen mit Desinformationskampagnen kamen dabei zur Sprache: Katharina Fegebank berichtete von Kampagnen im Umfeld der Bundestagswahl, die sich sowohl auf inhaltlicher Ebene gegen ihre Partei als auch auf persönlicher Ebene gegen Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock richteten.
Wolfgang Schulz betonte: "Im Bereich Desinformation gibt es keine einfache Lösung, nur viele kleine Stellschrauben. Die Politik darf bei allen Differenzen die Vorstellung einer geteilten Realität nicht aufgeben."
Eva-Maria Sommer zog das Fazit: „Es gibt Einiges, an dem wir, die Anbieter und der gesellschaftlich legitimierte Gesetzgeber, noch gemeinsam arbeiten müssen. Ein wichtiger Schritt wäre, die Anbieter sozialer Medien zu verpflichten, gegen Desinformation vorzugehen und gleichzeitig eine Rückkopplung an die Gesellschaft und Aufsicht der Medienanstalten über die ergriffenen Maßnahmen sicherzustellen. Nur so lässt sich die schwierige Gratwanderung zwischen Meinungsfreiheit und Eindämmung von Desinformation bewerkstelligen.“
Im zweiten Teil der Veranstaltung standen Gegenmaßnahmen in der Praxis und die Suche nach Konzepten zur Stärkung der gesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit im Fokus. Prof. Dr. Christian Stöcker und Dr. Gregor Wiedemann veranschaulichten am Beispiel von Verschwörungserzählungen über angebliche Biowaffenlabore in der Ukraine, was computergestützte, netzwerkanalytische Verfahren zur Desinformationserkennung beitragen können. Sie schlussfolgern, dass durch das frühzeitige Erkennen vor desinformierenden Narrativen gewarnt werden kann, und bezeichnen ein sogenanntes Pre-Bunking und die Stärkung von allgemeinen Gegenerzählungen als erfolgsversprechenden Umgang mit neu aufkommenden Verschwörungserzählungen.
Als weiterführenden Ansatz zur Bekämpfung von Desinformationen stellte Sarah Thust die Rolle von Faktencheckern am Beispiel von Correctiv vor. Marie-Teresa Weber erläuterte den Umgang mit Desinformation bei Meta und Lidia de Reese veranschaulichte am Beispiel von Projekten der FSM e.V. Potenziale, die darin liegen, Desinformation mit Medienbildung zu begegnen.
Das Hamburger Mediensymposium ist eine gemeinsame Veranstaltungsreihe des Leibniz-Instituts für Medienforschung | Hans-Bredow-Institut, der Medienanstalt Hamburg/Schleswig-Holstein (MA HSH) und der Handelskammer Hamburg. Die diesjährige Veranstaltung wurde von
TIDE – Hamburgs Bürger:innensender und Ausbildungskanal – aufgezeichnet und ist auf dem YouTube-Kanal des Senders verfügbar.
Zum Programm der Veranstaltung
Foto: Handelskammer Hamburg/Stefan Bungert; auf dem Bild v.l.: Prof. Dr. Wolfgang Schulz, Prof. Dr. Christian Stöcker, Dr. Gregor Wiedemann, Eva-Maria Sommer, Marie-Teresa Weber, Sarah Thust und Lidia de Reese.