
Pressemitteilung
Nr.: 1/2018 vom 30.10.2018
Scoring-Algorithmen: Transparenz ist das A und O
Sachverständigenrat für Verbraucherfragen legt Gutachten über „Verbrauchergerechtes Scoring“ vor
In immer mehr Lebensbereichen kommen Algorithmen zum Einsatz, die Menschen bewerten, ihr Verhalten vorhersagen und ihre persönlichen Eigenschaften ermitteln wollen. Solche Scoring-Algorithmen entscheiden zum Beispiel darüber, wer auf Kredit kaufen und wer nur auf Vorkasse bestellen darf. In der Kfz-Versicherung begegnen uns Scoring-Verfahren in der Form von Telematik-Tarifen. Algorithmen beurteilen hier das Fahrverhalten und bestimmen mit darüber, wie teuer der Versicherungsschutz für den Autofahrer ist. Viele Krankenversicherungen vergeben für bestimmte Verhaltensweisen ihrer Versicherten, die „gescort“ werden, einen Bonus.
Solche Scoring-Verfahren sind Gegenstand des aktuellen Gutachtens des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen, das dieser Bundesministerin Katarina Barley heute übergibt und veröffentlicht (verfügbar im Internet unter www.svr.verbraucherfragen.de).
In ihrem Gutachten formulieren die Sachverständigen acht Empfehlungen, wie Politik, Wirtschaft und Verbraucherverbände Scoring-Verfahren, und Algorithmen im Allgemeinen, durch mehr Transparenz besser gestalten können als das gegenwärtig der Fall ist.
Scoring-Verfahren, die ein bestimmtes Verbraucherverhalten prognostizieren, müssen zuverlässig arbeiten. Aber selbst das methodisch hochwertigste Scoring-Verfahren liefert unzulängliche oder sogar falsche Ergebnisse, wenn die Eingabedaten von fehlerhaft sind. Und es ist zum Beispiel problematisch, wenn bei einem „Gesundheits-Score“ gesundheitsschädliches Verhalten wie Rauchen nur mit geringem Gewicht , Aktivitäten, deren Gesundheitsnutzen nicht belegt ist, aber mit hohem Gewicht eingehen. Außerdem müssen Scoring-Verfahren funktionieren, ohne verbotenerweise zu diskriminieren, indem sie für bestimmte Bevölkerungsgruppen systematisch unzuverlässigere Ergebnisse liefern. Kritisch betrachtet der Sachverständigenrat deshalb die Verwendung von Stellvertreter-Merkmalen in Scoring-Verfahren, also von Merkmalen, die mit der gescorten Person direkt nichts zu tun haben, zum Beispiel, ob sie in einer guten Wohngegend lebt.
Im Mittelpunkt der Empfehlungen stehen Transparenz und Verständlichkeit von Scoring. Verbraucher sollen darüber informiert werden, wenn sie gescort werden und aus welchen Merkmalen sich ihr persönlicher Score zusammensetzt. Soweit dies möglich ist, sollen Score-Anbieter Verbraucher kostenlos informieren, wenn sich deren Score gravierend ändert. Aufsichtsbehörden müssen das gesamte Scoring-Verfahren prüfen und die Wirkungen von Scoring kontrollieren können. Deswegen empfehlen die Sachverständigen einen gezielten Ausbau der Aufsichtsbehörden, wie etwa den Datenschutzbeauftragten. Der SVRV bekräftigt seine bereits in seinem Gutachten „Digitale Souveränität“ erhobene Forderung nach einem Daten-Dashboard. Mit einer solchen Schnittstelle würde es Verbrauchern ermöglicht, ihren Score selbst berechnen zu können.
Zu den Grundlagen des Gutachtens gehören zwei empirische Untersuchungen. Eine Untersuchung nimmt die Praxis von Scoring-Anbietern in drei Marktbereichen (Auskunfteien, Kfz-Versicherungen, Krankenversicherungen) in den Blick. Die zweite Untersuchung ist eine repräsentative Bevölkerungsbefragung, die bei über 2.000 Teilnehmern Wissen und Wertungen zum Thema Scoring ermittelt hat. In das Gutachten flossen weiterhin die Ergebnisse einer Studie zu „Technischen und rechtlichen Betrachtungen algorithmischer Entscheidungsverfahren“ ein, die die Gesellschaft für Informatik e. V. im Auftrag des Sachverständigenrates erstellt hat und parallel zum SVRV-Gutachten veröffentlicht wird.
Zum Sachverständigenrat für Verbraucherfragen
Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen ist ein Beratungsgremium des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz. Er unterstützt auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Berücksichtigung der Erfahrungen aus der Praxis die Gestaltung der Verbraucherpolitik.
Der Sachverständigenrat für Verbraucherfragen besteht seit dem Jahr 2014. In seiner ersten vierjährigen Berufungsperiode hat der SVRV die folgenden Gutachten vorgelegt:
- Verbraucher im personalisierten Online-Handel (2015)
- eHealth und mHealth – Chancen und Risiken der Digitalisierung im Gesundheitsbereich (2015)
- Zahlungsdienste und Finanzberatung unter einer Digitalen Agenda (2015)
- Formen des Crowdfunding: Handlungsbedarf für die Politik? (2016)
- Verbraucherrecht 2.0 – Verbraucher in der digitalen Welt (2016)
- Digitale Souveränität (2017)
- Verbrauchergerechtes Scoring (2018)
Die vom Sachverständigenrat für Verbraucherfragen erstatteten Gutachten verstehen sich als Teile seines Gesamtvorhabens „Verbraucher in der digitalen Welt“. Das nunmehr vorgelegte Gutachten „Verbrauchergerechtes Scoring“ schließt die erste Berufungsperiode des SVRV ab.
Sämtliche Gutachten des Sachverständigenrates für Verbraucherfragen und weitere Expertisen und Stellungnahmen sind auf dessen Website unter www.svr-verbraucherfragen.de veröffentlicht. Dort sind außerdem Studien zu finden, die der Sachverständigenrat in Auftrag gegeben hat, um eine umfassende wissenschaftliche Grundlage für seine Gutachten zu schaffen.
PM Scoring-Algorithmen – Transparenz ist das A und O -30102018