Der neue Medienstaatsvertrag soll die Medienregulierung modernisieren und an neue Angebots- und Nutzungsformen anpassen. Das Kernstück des überarbeiteten Entwurfs zielt – wie die erste Version – auf die Einbeziehung neuer Medienakteure in den Anwendungsbereich des Staatsvertrags. Die Medienrechtsexperten Prof. Dr. Wolfgang Schulz und Dr. Stephan Dreyer haben erneut eine Stellungnahme zu diesem Entwurf veröffentlicht.
Zusammenfassung
Der zweite Entwurf des MStV verbessert insbesondere bei den Begriffsbestimmungen vorherige Inkohärenzen und setzt die neuen europarechtlichen Vorgaben aus der novellierten AVMD-Richtlinie (eins zu eins) um. Größtenteils gelungen erscheint dabei die Umsetzung eines diensteübergreifenden Werberechtsrahmens. Ansonsten hält der Entwurf größtenteils an den geplanten Erweiterungen des Anwendungsbereichs und den dazugehörenden dienstespezifischen Vorgaben fest – trotz teils signifikanter Kritik in den bisherigen Eingaben. Auf eine Begründung für das Festhalten an kritisierten Ansätzen verzichten die Länder, so dass der eigene Anspruch eines Dialoges bei der Modernisierung nur begrenzt erfüllt wird. Der Schritt der Länder, die bestehende Medienordnung zu reformieren und an die Entwicklungen der letzten Jahre anzupassen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die Einbeziehung von neuen Angebotstypen in den Anwendungsbereich eines MStV ist nachvollziehbar und teils ggf. sogar geboten. Die Ansätze einer mit Blick auf die jeweiligen meinungsbildungsbezogenen Einflusspotenziale abgestuften Regulierung unterschiedlicher Dienste werden den Anforderungen an eine differenzierte Regulierung in diesem Bereich gerecht. Der Entwurf reduziert aber nach wie vor die Komplexität von öffentlichen wie individuellen Meinungsbildungsprozessen und die sehr unterschiedlichen Rollen, Funktionen und Potentiale insbesondere von neuen Angebotsformaten dafür. Die Frage nach der Übertragbarkeit klassischer Regelungsansätze auf hybride, nicht-physische Plattformangebote und sehr unterschiedliche Einzelangebote, die unter dem eher generischen Gattungsbegriff der Medienintermediäre zusammengefasst werden sollen, ist nicht immer einfach zu beantworten. Was jedenfalls deutlich wird, ist die Schwierigkeit der Abgrenzung von Plattformen und Intermediären und die möglichen negativen Auswirkungen potentiellen regulatorischen Overspills eines medienzentrierten, aber auch nicht-mediale Inhalte betreffenden Medienrechts. Hier bedarf es einer detaillierten Gesetzesfolgenabschätzung, um Regulierung in Bereiche hinein zu vermeiden, die vom Ausgestaltungsauftrag nicht mehr umfasst sind. Als sinnvolle Ansätze können bei den neu einbezogenen Medienplattformen Vorgaben zur regulatorischen Ansprechbarkeit der Regelungsadressaten sowie erhöhte Transparenzanforderungen für eine bessere externe Überprüfbarkeit gelten. Voraussetzungsvoll bis problematisch erscheinen dagegen allgemeine Diskriminierungsverbote und Privilegierungsgebote bei nicht-infrastrukturgebundenen Plattformen und Inhalten im Rahmen der Angebotserbringung durch Medienintermediäre, vor allem mit Blick auf die Erforderlichkeit im Kontext von aus Nutzersicht relativ leicht austauschbaren Angeboten, die im Rahmen der Informationsfreiheit der Nutzer liegenden Diskriminierungswünsche und den Umstand, dass durch jede Neutralisierungspflicht journalistisch-redaktioneller Inhalte auch nicht-journalistische, nicht-mediale Inhalte diskriminiert oder gar verdrängt werden.
Hier sind aus Sicht des HBI unbedingt weitere Diskussionen in Form echter Dialoge nötig, die die spezifischen Funktionen einzelner Angebotsformate und die dort jeweils in Erscheinung tretenden Einflusspotenziale und adäquate Steuerungsansätze differenzierter in den Blick nehmen. In diesen Diskurs bringt das Institut seine Expertise gerne ein.
Dreyer, S.; Schulz, W. (2019): Stellungnahme zum zweiten Diskussionsentwurf eines Medienstaatsvertrags der Länder. Hamburg, 09. August 2019. (pdf).
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