Journalisten greifen gern auf Twitter zurück, wenn sie eine leicht zugängliche „Stimme aus dem Volk“ brauchen. Doch unterscheiden sich aktive Twitterer in ihrer Persönlichkeitsstruktur nicht deutlich von der nicht twitternden Bevölkerung? Hat das Stimmungsbild auf Twitter daher womöglich wenig zu tun mit dem in der Gesamtbevölkerung? Wer sind diese tweetenden Twitterer?
Sowohl in der journalistischen Berichterstattung als auch in der kommunikationswissenschaftlichen Forschung nimmt Twitter derzeit einen hohen Stellenwert ein. Zahlreiche Forschungsprojekte widmen sich der Analyse von getweeteten Inhalten, der Verbreitung von Hashtags oder Follower-Followee-Strukturen. Journalisten hingegen verlesen nicht nur gern Tweets von Politikern oder Prominenten in diversen Kontexten, sondern binden so auch die Meinungen von „normalen Bürgern“ als „Reaktionen aus dem Netz“ in ihre Berichterstattung ein. Die dem Microblogging-Dienst dadurch entgegengebrachte Aufmerksamkeit ist im Vergleich zu den geringen Nutzerzahlen in Deutschland vergleichsweise hoch. Begründen lässt sich dieser Umstand mit dem leichten Zugang zu den öffentlich geäußerten Inhalten und den durch Twitter zur Verfügung gestellten Schnittstellen. Der geringe Aufwand, auf Daten und O-Töne zuzugreifen, birgt für Wissenschaft und Journalismus jedoch das Risiko, die auf Twitter geäußerten Meinungen und vorfindbaren Strukturen in ihrer Aussagekraft zu überschätzen. Das bezieht sich nicht nur auf die im Vergleich zur Gesamtbevölkerung geringen Anteile von Onlinern, die Twitter überhaupt nutzen, sondern insbesondere auch auf den Menschentypus, der Twitter als öffentliche Bühne für die Äußerung der eigenen Meinung verwendet.
Während über die Nutzerzahlen in Deutschland relativ aussagekräftige Angaben vorliegen, ist über den Anteil aktiver Twitterer und ihre Persönlichkeitseigenschaften bisher kaum etwas bekannt.
Das Projekt hat diese Forschungslücke teilweise schließen können und ermittelt, wie groß der Anteil der aktiven Twitterer ist, welche Persönlichkeitsmerkmale aktive Twitterer aufweisen und ob sie sich in ihrer Persönlichkeitsstruktur von der Gesamtbevölkerung unterscheiden.
Die Ergebnisse des Projekts sind als Artikel in M&K 2/2018 erschienen und sind online verfügbar:
Hölig, S. (2018): Eine meinungsstarke Minderheit als Stimmungsbarometer?! Über die Persönlichkeitseigenschaften aktiver Twitterer. In: Medien & Kommunikationswissenschaft, Jahrgang 66(2), S.140-169 (
pdf).