Wenn Tinder für Dating funktioniert, weshalb dann nicht auch für Nachrichten? Das intuitive Tinder-Prinzip wurde in diesem Projekt auf journalistische Inhalte angewendet. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung förderte diese Entwicklung einer innovativen Nachrichten- und Informations-App für die Stadt.
Die Krise des Journalismus trifft Regionalzeitungen ebenso wie die Qualitätsmedien. Diese Entwicklung verlangt innovative Ideen. Forscherinnen und Forscher des Zentrums für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI), des Instituts für Informationsmanagement an der Universität Bremen und des Hans-Bredow-Instituts haben in einem experimentellen Vorgehen das Konzept für eine neuartige App zur Nachtichten- und Informationssuche erarbeitet und umgesetzt. In
Co-Creation, also gemeinsam mit den zukünftigen Nutzerinnen und Nutzern, sollte eine innovative mobile Nachrichten- und Informations-App mit
Tinder-Logik für junge Leute entwickelt werden. Dabei stand nicht, wie sonst üblich, die Interessen eines Medienhauses im Zentrum der Überlegungen, sondern die Bedürfnisse, Gewohnheiten und Wünsche der Nutzer.
Die App richtet sich regional an Bürger aus dem Raum Bremen und die zwei angrenzenden Landkreise Osterholz und Verden. Zunächst wurde hier in 2018 und 2019 empirisch zu Stadtöffentlichkeit geforscht und auf Basis dieser Befunde eine online-basierte, von klassischen Nachrichtenanbietern unabhängige mobile App als experimenteller Prototyp entwickelt. Die App richtet sich vor allem an junge Menschen zwischen 16 und 36 Jahren. Dabei soll bei der Nutzung das intuitive
Tinder-Prinzip zu Grunde liegen. Das bedeutet, durch einfaches Wischen Inhalte zum „Lesen“ oder „Nicht-Lesen“ markieren und dabei die Interessen der Nutzerinnen und Nutzer selbstlernend einbeziehen.
Keine Angst vor einer Filterblase!
Auf den ersten Blick fördert die App das Phänomen der Filterblase. Doch die Meldungen in der App werden durch einen Algorithmus so aufbereitet, dass genau das nicht passiert. Der Lern-Algorithmus soll doppelt gebrochen werden, um möglichen Filterblasen entgegenzuwirken. Informationen aus dem lokalen Umfeld und Inhalte, die für das Gemeinwesen wichtig sind, werden nicht herausgefiltert.
Prof. Dr. Wiebke Loosen,
Julius Reimer und Paul Solbach vom Hans-Bredow-Institut haben an dem Projekt gemeinsam mit
Prof. Dr. Andreas Hepp vom
ZeMKI Bremen und
Prof. Dr. Andreas Breiter vom
ifib der Universität Bremen gearbeitet.
Headerbild © paulrommer /
istockphoto.com
Projektbeschreibung
Das Projekt "Software-bezogene Szenarien zur Überwindung der Krise mediatisierter Öffentlichkeit in Stadt und Umland" hat empirische kommunikations- und medienwissenschaftlicher Forschung mit sogenannter co-kreativer Softwareentwicklung verbunden. Diese experimentellen App sollte einem sich abzeichnenden Relevanzverlust von Stadt und Region entgegenwirken. Denn die mobile Lebensweise, die ortsungebundenen sozialen Beziehungen und die sehr unterschiedlichen Weisen der Mediennutzung wurden bisher nicht hinreichend in Konzepten für Informationsangeboten berücksichtig. So erreichen klassische Nachrichtenanbieter viele (junge) Menschen nicht mehr.
Bei der Entwicklung der App wurde eng mit der Medien- und Digitalwirtschaft in der Metropolregion Bremen, den Stadt- und Gemeindeverwaltungen, Stadtteilbeiräten sowie den in der Stadt und im Umland aktiven politischen Parteien und Verbänden zusammengearbeitet. Doch auch weitere lokale Organisationen wie z.B. Sportvereine, (Nachbarschafts-)Initiativen, Kunstvereine und -initiativen, sozialen Bewegungen mit Lokalbezug oder religiöse Gemeinden wurden mit eingebunden. Durch diesen Co-Creation-Ansatz konnten empirische Befunde und Erkenntnisse sowie Erwartungen und Wünsche zukünftiger Nutzerinnen und Nutzer schon zu Beginn in den gesamten Prozess der Softwareentwicklung einbezogen werden.