Code als neuralgischer Punkt der Internetregulierung
Je mehr Zeit Menschen online verbringen, desto bedeutender wird der Code, der ihr Verhalten auf digitalen Plattformen steuert. Insbesondere dieser Faktor tritt in Konkurrenz zur Regulierung durch Recht und bringt neue Herausforderungen für das Recht mit sich.
Das Nutzerverhalten im Internet wird zu einem großen Teil davon gesteuert, was Anbieter von Online-Plattformen durch eine bestimmte Gestaltung ihrer Angebote ermöglichen oder implizit untersagen. Auch ist es möglich, dass die Anbieter durch die Gestaltung der User Interfaces bestimmte Verhaltensweisen nahelegen, die Nutzer also durch sog. Nudging sanft steuern. Die Gesamtheit dieser steuernden Faktoren wird in der Governance-Diskussion Code genannt, ein Begriff den Rechtswissenschaftler Lawrence Lessig 1999 mit der Gleichung "Code is Law" maßgeblich geprägt hat. Mit der Möglichkeit der Steuerung durch Code und der zunehmenden Relevanz durch Internetdienste steigt potenziell auch der verhaltenssteuernde Einfluss auf die Gesellschaft. Das Dissertationsprojekt soll die bisherige Steuerungsdiskussion um den Faktor "Code" für den rechtswissenschaftlichen Diskurs fruchtbar machen, die normativen Gehalte des Codes darstellen und sie in Relation zum Recht setzen. Bisher kennt das Recht kaum explizite Anknüpfungspunkte, um auf diese Steuerungswirkung zu reagieren. Anhand dieser Grundlagen soll überprüft werden, ob und inwieweit Code als Steuerungsfaktor im Sinne einer Regel-Regel-Regulierung genutzt werden kann.
Rechtswissenschaftliche Analysen beziehen sich derzeit vor allen Dingen auf die Steuerung durch Recht und die Einbindung von Normen in das Rechtssystem. Es wird aber zunehmend deutlich – insbesondere bei Internetsachverhalten – dass auch andere Faktoren Regelwirkung entfalten. Das Recht wird in dieser Arbeit nicht monokausal als Steuerungsfaktor für das Nutzerverhalten begriffen, sondern im Verhältnis zu Verträgen, sozialen Normen und Code. Insbesondere das Verhältnis von Code und grundrechtlich abgesicherter Autonomie soll beleuchtet werden. Anlass dafür ist die Beobachtung, dass auch Nutzeroberflächen von Internetdiensten Regelungswirkung entfalten können und so durchaus auch “normativ” wirken können. So kann die in verschiedenen Ausprägungen geschützte grundrechtliche Autonomie durch Private gefährdet werden, etwa die kommunikative, informationelle oder auch wirtschaftliche Selbstbestimmung.
Fälle wie die sog. "Abofallen", die Nutzer unter Verschleierung der Entgeltlichkeit dazu bewegen, vermeintlich wirksame Aboverträge abzuschließen, zeigen, dass bestehende rechtliche Argumentationsmöglichkeit wenig wirkungsvoll sind, die keinen Einfluss auf Nutzungsoberflächen nehmen. An Fallstudien, etwa der Regulierung der Kostenfallen, soll untersucht werden, welche Möglichkeiten das Recht hat, auf diese Code-Ebene zuzugreifen, um eine Regel-Regelwirkung zu entfalten.
Infos zum Projekt
Überblick
Laufzeit: 2014-2016
Forschungsprogramm: FP2 - Regelungsstrukturen und Regelbildung in digitalen Kommunikationsräumen